Donnerstag, 26. November 2009

Wer ...

... wütet sich da hinein in den Wald, das muffige Unterholz, nein, das gerade nicht, tapert bloß wie ein jeden Morgen neu aufgezogener Spielzeugsisyphus, nicht ohne eine schnarrend sich drehende Schraube im Rücken, auf der einmal eingeschlagenen Route schnurstracks geradeaus, das, so scheint mir, ist die Frage, die den Text noch einmal wendet, denn dass das Hineingelaufe in meinen Wald mich den unsinnig sich schüttelnden Urängsten und Zielen keinen Schritt näherbringt, falls ich einen Zentimeter abweiche von der elenden Trimmdichroute (S. 59), das ist ja gerade falsch, aber weil es der unsinnige Waldgänger sagt, ist es wieder richtig, kurz, es ist ja Rollenprosa, natürlich, zusammengerührt aus unzähligen Rollen und Sätzen, aber doch, nun ja, geerdet in einem negativen Punkt. Erstaunlich, wie lang das durchgehalten wird. Ohne den alles durchflüsternden Witz ginge das nicht.
stabigabi1 - 2. Dez, 10:48

Unregelmäßiger Boden

Mir ist das alles eher nicht geerdet.
Ich müsste einer bestimmten Ebene besonderen Glauben schenken, der der stillschweigenden Übereinkunft, nicht nur sei der Waldgänger nicht mit dem Autor identisch, sondern bloß eine Puppe, die darstellt, was schlecht und böse ist und was der Autor, wie wir alle, selbstverständlich nicht mag. Das verhälfe zur Erdung in einem negativen Punkt. Wir merken ja in unseren lieben Seelen, dass jede Hilfe wünschbar ist, diese negative Erdung zu stärken. Wenn wir alle wiederholen, wie gegensätzlich die Haltungen des Waldgängers zu unseren eigenen stehen, agieren wir wie ein tapferes Dorf, das mit lauten Schreien und Armewedeln den Drachen dazu bringt, sich ins Unterholz zurückzuziehen.
Ohne mich als Drachentöterin aufzuspielen kann ich mich doch als Drachenfreund zu erkennen geben. Ich mag den Waldgänger; das ist vielleicht mehr Humor oder ironischer Federkern als der Witz, der mich wohl ursprünglich für ihn eingenommen hat. Dass er mich am Stammtisch niedermachen würde, ist mir bewusst, da geht es mir nicht so anders als mit so manchem meiner Freunde.
Kurz, ohne diesen Saft, den man versteht, wäre der Witz tot; er ist es nicht. Darüber soll man allerdings nicht reden, ich werde also wieder darüber schweigen.

Denn was wir mögen und nicht mögen ist nicht selbstverständlich. Ein gesunder Mensch, sagt man aber, hat linksalternative Ansichten, wer nicht ist krank. Ein gesunder Mensch hat ein offenes Herz, liebt das Andere und Gewalt ist ihm unangenehm. Er kann keine Kuh sterben sehen und ist froh, wenn Menschen miteinander reden. Um diese Eigenschaften zu erlangen, sofern man nicht mit ihnen auf die Welt kam, wobei ich mir nicht vorstellen kann, wie das geht, außer in großen Ausnahmen wie Jesus, muss man einige aufmüpfige Meldungen der eigenen Psyche hastig ersticken und breit behaupten, man sei anders als man ist.

Aber man war doch nie. Es geht also nicht um Unterdrückung von voll ausgebildeten Eigenschaften, sondern nur um Keime, die man erstickt. Und das ist wahrscheinlich gut so.

Jedenfalls hätte ich früher mein Leben gesetzt auf das Menschenrecht, sich selbst zu gestalten, und dass man für das Werk an sich selbst beurteilt werde, nicht für Ererbtes und Angeborenes. Wer mir etwas unterstellt, was zwar stimmt, ich aber nicht so haben will, der kann eine ordentliche Replik erwarten. Doch sehe ich langsam ein, dass diese Panik nicht notwendig ist. Dass jeder von wo ausgeht; dass, von einer Mutter geboren zu sein, nicht menschenunwürdig ist.

rechner - 8. Dez, 18:58

Fahre er/sie nur zu!

Schöne Replik. Auch wenn es ja vermutlich wahr ist, dass man immer anders ist, als man ist. Da fällt mir eine Stelle aus der Krankheit zum Tode ein: Man erzählt von einem Bauern, der barfüßig in die Stadt kam, und der so viele Schillinge eingenommen hatte, dass er sich Strümpfe und Schuh kaufen konnte, und dabei doch so viel übrig behielt, dass er sich volltrinken konnte. Und als er berauscht sich an den Weg nach Hause machte, blieb er mitten auf der Landstraße liegen. Da kam ein Wagen gefahren und der Kutscher rief ihn an, er solle Platz machen, sonst führe er ihm über die Beine. Der betrunkene Bauer wurde wach, sah dann auf seine Beine, und weil er sie wegen der Strümpfe und Schuh nicht wiedererkannte, sagte er: Fahre er nur zu, das sind nicht meine Beine.

Das ist also der Irrtum, und die Verzweiflung, dass einer, der auf zwei waidmännisch gekleidete Beine herabschaut, diese bloß als die des Waldgängers identifiziert, statt als seine eigenen. Ha, dass er, oder sie, ein anderer sein will, als er ist, oder sie. Und doch kann ich ja auch für mich selbst von der lieben Negativitätserdung sprechen, die mir nicht gefällt. Nur ist das dann nicht selber schon wieder das gute, linke und alles Fremde verstehende Herz? Zum Beispiel: Ich möchte ja auch so gern den Erdball retten, aber früher, da hab ich nie baden gedurft, und jetzt bad ich halt so gern, jeden Abend bade ich heut, auch wenns mir leid tut, dass die Erdkugel bald abschwenkt aus der guten alten Umlaufbahn. Böser Feuilletonist! Trotzdem, der Einwand, es sei leicht, das Muffige und Brutale in den Waldgänger auszulagern, der ich nicht bin, niemals!, ist sicher richtig. Nur das Gegenstück, die Identifikation mit dem bösartigsten Horrorfilmselbst, ist ja selbst schon wieder ein alter, in Vodka aufzulösender Käse. Vielleicht muss der Leser des Waldgängers ja eine westernweiße Weste tragen, um in seinen Adern das Blut der zweitausend Maniacs aus dem gemeingefährlichen Dorf blubbern zu hören.
stabigabi1 - 8. Dez, 23:36

Der Vielleicht, dieser Witz

, das Ferment, der Wein, der Hirnsaft, dieses Schillern, dieses Schimmern, ah, dieses Bad, dieser Schaum, dieser Pilz aus dem Baum! Wie Frau Spalt sagte, trennen und unterscheiden wir bei der Kritik, was in der Literatur sich so faszinierend und zündfähig mischt. Es genügt ja schon, dass wir dieselben grammatischen Werkzeuge verwenden wie der Waldgänger, um in seine Schuhe zu schlüpfen, und einige bekannte Gedanken und Wortspiele lassen mich voll Schrecken momentweise zum Anderen werden, wie als fügte sich mein Zeh in die fremde Buchtung der Innensohle. Der Schrecken ist so - ein Schauder, der sich an den eigenen Rücken schmiegt - als drehte man mir das Wort im Munde um. Und wo das Selbst sich recht fragil glaubt, weil es ja alle Möglichkeiten ernsthaft erwägt (außer in jenem strengen seelischen Waisenhaus wo es blind ist), da beginnt es zu schwindeln, also einerseits sieht es die Welt sich drehen, andererseits flunkert es sich monumentale Brocken aus Sandalenschinken und großen Pullen Whiskey und, natürlich, ein Paar Cowboystiefel groß wie der Eiffelturm herbei, um daran das Gleichgewicht zu halten.
Ich meinte: Ja, wir leben im Witz, der die Strecke zwischen Gut und Böse immer wieder ausmisst, der saftigen Ironie, die sie füllt, dem Humor, der sie glattstreicht.
Dem Autor des oben zitierten Werks zufolge befinde ich mich übrigens, wie man sieht, im ethischen Stadium, wie ich mit gelegentlichem Schauder feststellen muss. Aber es reden auch auf der Straße und in den Caféhäusern, kommt mir vor, überall junge Leute von moralischen, jedenfalls ernshaften und das Leben mit Sorge betreffenden Fragen. Genauergenommen überhörte ich zweimal eine gepflegte junge Frau auf einen jungen Mann einreden, vorsichtig und eingeübt, als wollte sie ihn zu einer Sekte bekehren, vielleicht aber nur, weil sie die Gedanken und Worte selbst schon oft im Kopf gewälzt hat. Wenn er gelegentlich den Mund aufmachte, so um die strengsten Konsequenzen abzuwehren, und ein wenig der Bequemlichkeit irgendeines klischierten Daseins zu retten, das das Fräulein so gepflegt zerlegte.

Bäume vor Wald

die Freuden der Jagd

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